KI-Services müssen zu den Daten – nicht umgekehrt

Enterprise-KI-Strategien

- Falk Borgmann

Im Zuge der fortschreitenden digitalen Transformation stehen insbesondere große Unternehmen im Enterprise-Segment vor der Herausforderung, tragfähige und skalierbare Strategien für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zu entwickeln. Der Innovationsdruck ist enorm – nicht zuletzt, um im internationalen Wettbewerb technologisch nicht abgehängt zu werden.
Was vielerorts mit Proof-of-Concepts (PoCs) auf Entwickler-Notebooks begann, hat eine zentrale Erkenntnis hervorgebracht: KI entfaltet ihren Mehrwert nur dort, wo sie mit produktionsrelevanten Daten in Kontakt kommt – also dort, wo die Daten tatsächlich verfügbar sind. Ohne echte Datenanbindung bleibt KI ein akademisches Konzept, das den Praxistest nicht besteht.

KI trifft auf Realität

Ein häufiger Irrglaube ist, dass KI-Anwendungen losgelöst von bestehenden IT-Strukturen funktionieren könnten. In der Realität erfolgt der produktive Einsatz entsprechender Services fast nie auf der sprichwörtlichen grünen Wiese. Stattdessen geht es darum, KI-Modelle sinnvoll in etablierte Datenquellen und Verarbeitungsprozesse zu integrieren – etwa in ERP-Systeme, Data Warehouses oder andere operative Plattformen.
Genau hier offenbart sich ein häufiges Problem: Machine-Learning-Experten besitzen tiefe Kenntnisse in Modellierung und Algorithmik, bringen jedoch oft nur begrenztes Know-how im Bereich Datenintegration und Datenversorgung mit. Umgekehrt fehlt es BI- oder DWH-Teams, die mit den Datenstrukturen bestens vertraut sind, meist an tiefem Verständnis für moderne KI-Technologien. Diese jeweiligen Lücken werden nicht selten mit externen SaaS-Lösungen überbrückt – häufig zu Lasten von Transparenz, Kostenkontrolle und strategischer Unabhängigkeit.

Cloud-First? Kommt darauf an!

Viele Unternehmen greifen auf KI-Services großer Cloudanbieter zurück, da diese schnell und unkompliziert einsetzbar sind. Dabei werden oft große Datenmengen in die Cloudinfrastrukturen vornehmlich von US-Konzernen übertragen, um dort mittels „Blackbox“-KI Aufgaben durchzuführen. Kurzfristig mag das praktikabel erscheinen – langfristig birgt dieses Vorgehen jedoch erhebliche Risiken:

Hohe Kosten: Vor allem die oft unterschätzten Egress-Kosten – also Gebühren für den Abzug von Daten aus der Cloud – haben sich bereits für viele Unternehmen als Kostenfalle erwiesen.
Abhängigkeiten: Die Bindung an proprietäre SaaS-Angebote reduziert technologische Souveränität und erschwert den Anbieterwechsel.
Datensicherheit: Die Auslagerung sensibler Unternehmensdaten ist aus Geheimhaltungssicht kritisch, insbesondere in Zeiten der aktuellen geopolitischen Entwicklung im Kontext des US CLOUD Act.

KI zu den Daten bringen

Eine tragfähige und langfristig kosteneffiziente Strategie folgt einem anderen Prinzip: KI sollte dorthin gebracht werden, wo die Daten bereits liegen. Ob on-premises, in einer Private Cloud oder in einer bestehenden Enterprise-Cloud – die Nähe der KI-Komponenten zu den Daten reduziert Komplexität, minimiert Datenbewegungen und verbessert die Systemeffizienz.
Im Idealfall werden KI-Services individuell betrieben – beispielsweise als containerisierte Modelle auf internen Plattformen mit Open-Source-Technologien. Auch wenn der initiale Aufwand für Aufbau, Integration und Schulung höher sein mag, ergeben sich langfristig klare Vorteile:

Geringere Cloud- und Egress-Kosten bei lokalem Hosting
• Technologische Kontrolle und Unabhängigkeit
• Flexibilität bei der Wahl von Tools, Frameworks und Architekturen
• Interner Wissensaufbau, der die Innovationsfähigkeit stärkt

Das bedeutet keinesfalls, dass die Nutzung der Infrastrukturen der Hyperscaler grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte. Wenn ein Unternehmen seine Datenlast ohnehin bereits in die Cloud transferiert hat, kann es strategisch durchaus sinnvoll sein, auch dort KI-Services zu betreiben. Entscheidend ist jedoch die Wahl des Betriebsmodells und des eigentlichen KI-Services: Statt sich vollständig auf nicht-transparent kalkulierbare SaaS-Modelle zu verlassen, sollten Unternehmen prüfen, in welchen Bereichen der Betrieb und die Herstellung von KI-Funktionalitäten effizienter, flexibler und sicherer sein könnte.

Fazit

Im echten Leben käme niemand auf die Idee, eine Küche um den Koch herum zu bauen – samt allem Equipment und den Zutaten. Wenn es jedoch um IT geht, werden in der Praxis immer wieder Entscheidungen getroffen, die aus neutraler Sicht wenig durchdacht erscheinen. Erfolgreiche KI-Strategien im Enterprise-Segment orientieren sich nicht an kurzfristigen Trends, sondern an der strukturellen Realität: Daten sind der zentrale Rohstoff der KI – und ihre Lokation entspricht selten den Anforderungen externer SaaS-Modelle.
Statt Daten aufwendig zu verlagern, ist es oft sinnvoller, die KI zu den Daten zu bringen. Der Weg über individuell betriebene und intelligent integrierte Lösungen ist kein einfacher – doch auf lange Sicht der nachhaltigere, wirtschaftlichere und souveränere.

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