JENSEITS DES HYPES: WARUM BLOCKCHAIN?

- Falk Borgmann

Über Wunschkonzerte und Sinnfragen

Mit diesem Beitrag eröffnen wir eine Serie von Hintergrundartikeln zum Verständnis der Blockchain-Technologie und ihrer Perspektive. Welche Mechanismen, Theorien, Konzepte und Implementierungen gibt es? Was ist heute schon möglich und wo sind die Grenzen? Wie steht es mit Risiken und wohin wird die Reise künftig gehen? Welche rechtlichen Aspekte sind für ein Blockchain-Projekt relevant, welche Fehler gilt es zu vermeiden?

In Zeiten einer Flut von ICO und unzähliger Debatten rund um Blockchain ist es uns wichtig, das Thema von der wenig hilfreichen Reduktion auf den Anwendungsfall Kryptowährungen zu befreien. Ein tieferes Verständnis der Blockchain-Grundlagen ist wesentlich, um völlig andere Einsatzbereiche und Ideen zu verstehen, mit denen sich aber viele Marktbeobachter viel zu wenig beschäftigen. Genau diese Themen sollen hier und in den folgenden Beiträgen adressiert werden – reduziert und konzentriert auf das Wesentliche, als Denkanstoß für CIOs und IT-Verantwortliche.

Am Anfang steht die Basisfrage schlechthin: Warum Blockchain? Warum ein System ohne Master?

Die Aufnahme des Blockchain-Hypes in der IT-Community gleicht an vielen Stellen der Entscheidung für die Anschaffung eines Autos, bei der sich rationale Faktoren munter mit irrationalen Einflüsterungen mischen. Will ich das Auto, weil ich es kann? Reizt mich die Wirkung des Statussymbols auf meine Umwelt? Bin ich wirklich schneller und flexibler? Muss es wirklich ein eigenes Fahrzeug sein oder wäre ich per Taxi oder Carsharing nicht viel effizienter? Ist ein Auto überhaupt das perfekte Verkehrsmittel für mich? Und wenn ja: Welches Modell ist abseits aller Emotionen die richtige Wahl?

Ganz ähnlich zeigt sich der aktuelle Hype um Blockchain-Anwendungsfälle. Die alles beherrschende Frage ist „Wer findet den nächsten Bitcoin?“ – oder frei übersetzt: „Wer ist als erster am Futtertrog?“ Die Angst, zu spät zu kommen, hat eine regelrechte Hysterie erzeugt, die zuweilen zu Projekten oder ICOs führt, deren Sinnhaftigkeit mehr als nur bezweifelt werden darf.

Dabei steht vor einer sinnvollen, zukunftsweisenden und profitablen Blockchain-Implementierung nur eine ganz einfache Frage:

Bietet eine echte Dezentralisierung von zu beglaubigenden Informationen einen Mehrwert gegenüber einem zentralisierten Datenbanksystem?

Es geht also um die Sinnfrage für zwei Grundprinzipen der Blockchain:

Erstens: Dezentralisierung ohne Master, also das verteilte Ablegen und Verwalten von Daten. Und zwar so, dass eine Übereinkunft darüber, ob eine Information richtig oder falsche ist, ohne zentrale Steuereinheit zwischen den Teilnehmern des Systems erreicht wird. Wir sprechen hier von einem Verzicht auf den Master oder Intermediär im System. Es handelt sich um ein so genanntes „Peer-to-Peer“-Netzwerk, in dem jeder Teilnehmer potenziell mit jedem anderen Teilnehmer kommunizieren kann bzw. muss.

Zweitens: Beglaubigung und Validierung von Daten. Dabei geht es in der Blockchain darum, dass ausreichend viele Knoten eines Clusters (zu einem konkreten Zeitpunkt) über identische Informationen verfügen. Die Blockchain ist gleichermaßen auf vielen Teilnehmer-Knoten eines Clusters vorhanden und deren Daten (Blöcke) sind nach einer gemeinschaftlichen Übereinkunft über deren Korrektheit nicht mehr änderbar. Im Vergleich zu anderen verteilten Datenbanksystemen kann jeder Teilnehmer nun zu jeder Zeit die Authentizität von Daten gegen die Blockchain verifizieren, da diese nicht ohne weiteres verändert werden können.

Diese zwei Grundprinzipien müssen berücksichtigt werden, um generell einen Mehrwert gegenüber anderen Technologien zu liefern. Kann die Frage nach deren Sinnhaftigkeit in einem potenziellen Anwendungsfall nicht mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden, ist die Entscheidung für einen Blockchain-Einsatz möglicherweise eine subjektive Wunschvorstellung ohne nachhaltigen Wert – und das Vorhaben in aller Konsequenz noch einmal kritisch zu hinterfragen.

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