Schweiz teilt Daten mit China

- Falk Borgmann

Eine IT-Ausschreibung der Schweiz über ein Volumen von bis zu 110 Millionen Franken bewegt derzeit nicht nur die IT-Welt. Eigentlich wäre diese Nachricht nichts Besonderes, wenn es nicht um staatliche Daten eines Landes im Herzen Europas gehen würde und sich die Schweiz nicht ausschließlich für die Angebote von US-amerikanischen Firmen und dem chinesischen Alibaba-Konzern entschieden hätte. Ist die neue Cloudstrategie der Eidgenossen naiv?

Was haben Amazon, Microsoft, IBM und Alibaba gemeinsam? Richtig, es sind vier der fünf größten Cloudanbieter der Welt. Nur Google fehlt in dieser Liste. Wenn man dafür noch Oracle als weiteren Anbieter aus den Top Ten in diesem Bereich hinzunimmt, dann hat man die vollständige Liste der zukünftigen Cloud-Partner der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Rekapitulieren wir kurz

In der jüngeren Vergangenheit gab es Geheimdienstbespitzelung unter Freunden. Gott sei Dank erklärte der damalige Kanzleramtschef und ausgewiesene IT-Spezialist Ronald Pofalla (CDU) die Affäre kurzerhand für beendet. Und dass sich die chinesische Regierung für demokratische Werte wie Datenschutz oder Rechtsstaatlichkeit im europäischen Sinne einsetzt, können sicherlich die inhaftieren Bürgerrechtler aus Hongkong umfänglich bestätigen.

Da kann man die lieben Nachbarn nur beglückwünschen! In einer Ausschreibung, bei der es um die Datenhoheit eines Landes geht, ist es absolut sinnvoll, den Angebotspreis innerhalb der Entscheidungskriterien mit 30 Prozent zu gewichten. Das nur Microsoft und Amazon tatsächlich über eine Infrastruktur in der Schweiz verfügen, ist da natürlich völlig egal. Deshalb ist dieser Aspekt auch nur mit zehn Prozent bewertet worden.

Ironie aus

In einer immer digitaleren Welt sind Daten der Schlüssel für eigentlich alles: für Kommunikation, Einflussnahme und Kontrolle. Daten sind Informationen und Informationen sind Macht. Nicht grundlos warnt der bundesdeutsche Verfassungsschutz vor der Nutzung der chinesischen Bezahldienste Alipay und WeChat Pay. Weil dort eben nicht sichergestellt ist, was mit den persönlichen Daten der Nutzer passiert. Hackerangriffe und Onlinespionage sind längst zu einem überaus relevanten Problem geworden. Ein weiterer Beleg dafür ist die jüngste REvil-Attacke, von der über 1.500 Unternehmen betroffen sind. Wenn wir uns als Gesellschaft dazu entschlossen haben, unser Leben zu digitalisieren, dann sollten wir tunlichst berücksichtigen, dass die dabei entstehenden Daten potenziellen Einfluss und Macht über uns alle haben, deren Art und Umfang sich die meisten Bürger offensichtlich nicht ansatzweise vorstellen wollen oder können. Eine „Ich habe nichts zu verbergen“-Einstellung ist dabei gleichermaßen naiv wie ignorant, denn wie man mit Social Scoring eine Gesellschaft gleichschalten und überwachen kann, zeigt die chinesische Regierung gerade sehr eindrucksvoll und steht dort erst am Anfang. Machen wir uns nichts vor: In einer digitalen Welt sind Daten immer ein potenzielles Risiko. Die Frage ist nur, wer hat Zugang zu diesen Informationen und welche Pläne verfolgt derjenige? Wie schnell ein rechtsstaatliches Fundament zu erschüttern ist, hat Donald Trump in den USA anschaulich vorgeführt. In einer digitalen Gesellschaft verhält es sich mit Daten und Informationen in etwa so wie mit einem Baseballschläger: Man kann damit ein unterhaltsames Spiel machen und Spaß haben oder man kann einer unliebsamen Person damit den Schädel zertrümmern. Es ist also entscheidend, wem man den „Baseballschläger“ in die Hand gibt.
Die Schweiz hat sich dazu entschlossen, die Kontrolle über die Daten und die Verantwortung für den Umgang mit diesen Informationen US-Konzernen und Chinas Alibaba zu übertragen. GAIA-X hin oder her, bei so viel mangelndem Sachverstand und schnöder Ignoranz gegenüber der Realität, kombiniert mit einer scheinbar unendlichen Naivität von Politikern, muss man sich wirklich darüber sorgen, dass dieses Beispiel Schule macht.

Teilen